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Leider kommt es nach ärztlichen Behandlungsfehlern hin und wieder auch zu Todesfällen. Die häufigsten Ursachen sind Tod durch fehlende Reaktion auf sinkende Sauerstoffwerte, Medikationsfehler, fehlende Nachkontrolle von Laborwerten oder Folgeuntersuchungen, Sturz von Patienten sowie Geburtsfehler.
Angehörige haben dann ebenfalls eigene Ansprüche gegen den Schädiger und seine Haftpflichtversicherung.
Der Anspruch auf Schmerzensgeld des Patienten geht nach seinem Tode auf seine Erben über. Diese können also den Schmerzensgeldanspruch des Hinterbliebenen im eigenen Namen geltend machen. Hierzu haben sie auch ein eigenes Recht auf Herausgabe der Patientenakten.
Wird eine lebensverlängernde Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen fortgesetzt, kann dies grundsätzlich als Verletzung seines Selbstbestimmungsrechts Schadenersatzansprüche auslösen. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die Lebenserhaltung nicht als absoluter Wert angesehen werden darf.
BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 - 1 BvR 1187/19
Unnötiges Leiden?
Der Sohn eines 2011 verstorbenen Patienten hatte Schadenersatzansprüche für seinen Vater eingeklagt. Dieser hatte an Demenz gelitten und stand seit 1997 unter Betreuung eines Anwalts. Mit dessen Zustimmung wurde der Senior ab 2006 künstlich ernährt. Etwa zwei Jahre später war dann auch keine Verständigung mit ihm mehr möglich. Hinzu kamen eine Reihe weiterer Erkrankungen. Schließlich wurde im Oktober 2011 entschieden, eine Lungenentzündung nicht mehr intensivmedizinisch zu behandeln.
Das BverG hat entschieden, dass die weitere künstliche Ernährung seit 2010 behandlungsfehlerhaft war; sie habe auch das Persönlichkeitsrecht seines Vaters verletzt. Eine Patientenverfügung gab es nicht. Es ließ sich aber nicht klären, ob der Mann einen Abbruch der Behandlung gewollt hätte. Letzterenfalls hätte ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von € 40.000,00 bestanden.
Erst wenn der Sterbewille feststellbar ist, ist das Persönlichkeitsrecht bei einer ungewollten Lebenserhaltung verletzt. Dann muss der zivilrechtlich einklagbare Schaden anerkannt und finanziell entschädigt werden.
Anders als z. B. in den USA haben Hinterbliebene in Deutschland – abgesehen vom Hinterbliebenengeld gemäß § 844 BGB – keinen eigenen Schmerzensgeldanspruch für Trauer und Verlust eines nahen Angehörigen. Fordern Angehörige ein eigenes Schmerzensgeld, so besteht ein Anspruch hierauf nur, wenn die Trauer für die Angehörigen selbst einen krankhaften Zustand verursacht. Müssen Angehörige wegen Depressionen aufgrund des Schocks für den unerwarteten Verlust eines Angehörigen psychotherapeutisch behandelt werden, haben sie daher einen eigenen Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger und seine Versicherung. Der eigene pathologische Zustand muss vom Hinterbliebenen nachgewiesen werden. Hierzu sind zunächst einmal ärztliche Atteste erforderlich, die im Gerichtsverfahren durch Sachverständige begutachtet werden.
Die Geltendmachung von Schadensersatz für psychische Beeinträchtigungen aufgrund der Verletzung eines nahen Angehörigen setzt nur noch eine medizinisch fassbare Erkrankung voraus.
BGH, Urteil vom 06.12.2022 – Az. VI ZR 168/21
Der Bundesgerichtshof verlangt damit in Abkehr zu früherer Rechtsprechung nicht mehr, dass der Betroffene stärker beeinträchtigt wurde, als es bei Tod oder Verletzung eines nahestehenden Menschen typischerweise zu erwarten gewesen wäre.
Ein Vater verlangte Schadensersatz für von ihm erlittene psychische Beeinträchtigungen. Hintergrund war der sexuelle Missbrauch seiner Tochter im Alter von fünf und sechs Jahren durch einen Dritten. Während der Ermittlungen und des anschließenden Gerichtsverfahrens – das zur Verurteilung des Täters führte – habe er sich ausschließlich mit dem Schicksal seines Kindes beschäftigen können und sei für mehr als ein Jahr arbeitsunfähig gewesen. Das Landgericht Lüneburg sprach dem Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro zu, nachdem ein Sachverständiger bei ihm eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) festgestellt hatte. Das OLG Celle bestätigte die Entscheidung: Der Vater sei psychisch erkrankt gewesen und von der Straftat schwerer getroffen worden, als dies bei einem Angehörigen typischerweise zu erwarten gewesen wäre. Die Revision des Täters führte zur Aufhebung des Urteils.
Die Karlsruher Richter hatten Bedenken bezüglich der konkreten Berechnung des Schmerzensgelds. Es sei fehlerhaft gewesen, psychische Vorbelastungen des Vaters bei der Bemessung der Entschädigung nicht zu berücksichtigen. Primär nutzte der BGH die Entscheidung allerdings, um die Haftung für sogenannte Schockschäden auszudehnen. Bislang hätten die Angehörigen nachweisen müssen, dass sie nicht nur eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten hätten, sondern zusätzlich die Folgen schwerer gewesen seien, als bei einer ähnlichen Schreckensnachricht üblicherweise zu erwarten gewesen wäre. Letztere Einschränkung der Haftung beseitigte der VI. Zivilsenat: Stehe fest, dass das Geschehen bei der nahestehenden Person eine pathologisch fassbare psychische Störung verursacht habe, liege unabhängig vom Schweregrad eine Gesundheitsverletzung vor. Das Schmerzensgeld muss daher höher ausfallen.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 24.08.2022 - Az. 14 U 22/22.
Depressionen, Schlafstörungen, Alpträume, Weinkrämpfe, Gefühle des "Aus-der -Bahn-geworfen-seins" sowie vorübergehende Kreislaufstörungen mit Kollaps-Belastungen oder vorübergehende Kreislaufstörungen genügen nicht, wenn dies nur Ausdruck einer normalpsychologischen tiefen Trauer sei, und sich in solchen Auswirkungen lediglich das normale Lebensrisiko verwirklicht.
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen eines Schockschadens nach dem Unfalltod des Kindes erfordert das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung mit pathologisch fassbaren Auswirkungen.
Die vom Kläger beschriebenen Symptome seien solche, die regelmäßig beim Verlust eines minderjährigen Kindes zu erwarten seien. Für das Vorliegen eines Schockschadens müssen konkrete Krankheitssymptome feststellbar sein, die den Rückschluss auf pathologisch fassbare Auswirkungen zulassen. Ohne eine pathologisch fassbare Auswirkung seien auch (leichte) Depressionen, Schlafstörungen, Alpträume, Seelenschmerzen, Weinkrämpfe, Gefühle des "Aus-der -Bahn-geworfen-seins" sowie vorübergehende Kreislaufstörungen mit Kollaps-Belastungen nicht ausreichend.
Soweit von ärztlicher Seite eine Behandlung des Klägers für notwendig erachtet wurde, weil er den Tod seines Kindes nicht verarbeiten kann, belege dies nach Auffassung des Oberlandesgerichts noch keine bestehende Gesundheitsverletzung. Der Sachverständige hatte nur eine leichte depressive Episode festgestellt.
LG Osnabrück, Urteil vom 05.05.2023 - Az. 1 O 1857/21
Das Landgericht Osnabrück hat einer Mutter nach dem Tod ihres Kindes ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zugesprochen, nachdem es durch den deshalb rechtskräftig wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu acht Jahren Gefängnisstrafe verurteilten Beklagten zu Tode geschüttelt wurde. Die Klägerin hierdurch erlitt eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert.
Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zugesprochen. Es folgte der geänderten Rechtsprechung des BGH, die eine erleichterte Haftung für Schockschäden ermöglicht. Danach muss eine psychische Störung nur pathologisch fassbar sein. Die Klägerin leidet wegen des Todes ihres Kindes an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Außerdem steht der Klägerin als Erbin ihres Kindes deren Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei es wahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch blieben oder sich temporär verschlechtern könnten. In diesem Fall sei mit weiteren Schäden zu rechnen, für die der Beklagte einstehen muss.
Ehegatten und Lebenspartner haben einen Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsschadens. Fällt der Unterhaltspflichtige weg, muss die Haftpflichtversicherung des Schädigers hierfür einstehen. Wichtig ist, dass die Unterhaltspflicht zum Zeitpunkt des Behandlungsfehlers bestanden haben muss. Wer also nach einer misslungenen Operation heiratet, hat keinen Anspruch auf Ersatz eines Unterhaltsschadens.
Sterben Mutter und Vater, haben auch minderjährige Kinder einen Anspruch auf Unterhalt. Das gilt aber nicht für „Stiefkinder“, auch wenn der Verstorbene sie finanziell unterstützt hatte.
Nur in Ausnahmefällen findet eine einmalige Kapitalabfindung statt.
Es muss konkret berechnet werden, was der Verstorbene monatlich an Unterhalt hätte zahlen müssen. Maßstab ist der Lebensstandard der Familie vor dem Todesfall. Hierzu zählen insbesondere Kosten für Lebensmittel, Kleidung, Kosmetika, Friseur, Ausgaben für sportliche oder kulturelle Aktivitäten und die Wohnungskosten. Außerdem zählen hierzu auch Rücklagen für Anschaffungen, Urlaubsreisen und Vermögensvorsorge für das Alter. Gerade die Vorsorge für das Alter ist von entscheidender Bedeutung, wenn der Verstorbene als Allein- oder Hauptverdiener der Familie für die Rentenanwartschaften seines Ehegatten sorgte.
Die sogenannten Düsseldorfer Tabellen für unterhaltsberechtigte Personen geben nur einen Mindestunterhalt an. Sie können im Rahmen des Schadensersatzes im Medizinrecht nur bei niedrigen Einkommen herangezogen werden. In der Regel liegt der tatsächliche und konkret berechnete Bedarf über den gesetzlichen Unterhaltsbeträgen.
Der schädigende Arzt hat nahen Angehörigen ("Hinterbliebene") für ihr seelisches Leid eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird gesetzlich vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.
Angehörige erhalten so einen eigenen Ersatzanspruch auf eine Entschädigung in Geld für den Verlust einer nahestehenden Person. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind gesetzlich klar geregelt:
Der Geschädigte muss sein seelisches Leid aufgrund des Verlustes der nahestehenden Person nicht selbst beweisen. Vielmehr wird dies vermutet. Allerdings steht dem Schädiger ein Gegenbeweis zu, dass durch den Verlust kein seelisches Leid eingetreten ist. Dieser Beweis dürfte schwerlich zu führen sein.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld kann auch auf andere übertragen, verpfändet, gepfändet oder vererbt werden. Bei mehreren Hinterbliebenen steht jedem einzelnen ein eigener Anspruch auf Hinterbliebenengeld in voller Höhe zu.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld wird nicht von einem eigenen Schmerzensgeldanspruch z. B. wegen eines Schockschadens abgezogen oder umgekehrt. Beide stehen nebeneinander in voller Höhe dem Geschädigten zu.
Die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist vom Einzelfall abhängig. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung aber selbst einen Betrag in Höhe von € 10.000,00 pro Hinterbliebenem als Durchschnittsbetrag bezeichnet. Ein höherer Betrag kann gefordert werden, wenn der Anspruchsberechtigte einen Schock erlitten hat oder das Verhalten des Schädigers das Leid z. B. durch Absicht oder grobe Fahrlässigkeit erhöht hat. Auch führt eine zögerliche Regulierung durch den Haftpflichtversicherer zu einer Erhöhung. Ein Mitverschulden des Getöteten kann sich jedoch anspruchsmindernd wirken.
BGH, Urt. v. 6.12.2022 - VI ZR 73/21
1. Die Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung ist grundsätzlich Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Er hat die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten und hierbei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Ähnlich wie beim Schmerzensgeld sind dabei sowohl der Ausgleichs- als auch der Genugtuungsgedanke in den Blick zu nehmen.
2. Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten.
3. Der in dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Betrag in Höhe von 10.000 EUR (BT-Drucks 18/11397, S. 11) bietet eine Orientierungshilfe für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann. Er stellt keine Obergrenze dar.
Die Beerdigungskosten werden in der Regel als Pauschale in Höhe von € 5.000,-- ersetzt. Dies halten wir vor dem Hintergrund steigender Inflation und magerer Sparzinsen mittlerweile für zu wenig. Wir wirken daher auf eine Verdoppelung hin. Hinterbliebene bleiben aber verpflichtet, einen Schaden möglichst gering zu halten.
Kosten für die Instandhaltung und Pflege des Grabes sind dagegen nicht erstattungsfähig.